Die Körung
Eine Körung „dient der Auswahl von für die Zucht bestimmter Rassen geeigneter Haustiere verschiedener Arten. Den Vorgang regeln Gesetze und Vorschriften der Zuchtverbände…“. So steht es im Internet-Lexikon geschrieben. Nun, ob der Begriff „Körung“ zuerst in der Pferdezucht, oder in anderen Bereichen, wie z.B. in der Bienenzucht, oder aber in der Hundezucht angewandt wurde, ist unerheblich. Sicher aber ist die Körung für eine „kontrollierte“ Zucht, also auch in der unseres Vereins, das wichtigste „Instrument“, wenn es darum geht, die Qualität einer Zucht, einer Verpaarung, zu erkennen, die besten – für die weitere Zucht guten und richtigen – Hunde, insbesondere Linien, zu ermitteln und somit die Zuchtzukunft festlegen und planen zu können. Vielleicht aber auch um festzustellen, dass es nicht lohnt, eine bestimmte Linie weiter zu verfolgen?
Jeder verantwortungsbewusste Züchter wird seine Hundebesitzer über den Sinn einer Körung informieren und mit dem entsprechenden Interesse, in seinem Bemühen um eine Teilnahme alle seiner Hundekinder, an mindestens einer Körung, erfolgreich sein.
Von einer kontrollierten Zucht, insbesondere einer strengen Zuchtauswahl, kann nur dann gesprochen werden, wenn alle Züchter eines Vereins dazu beitragen, dass die hierzu erforderlichen Daten zusammengetragen und ausgewertet werden können, um der weiteren Zucht zur Verfügung zu stehen. Jedoch sind diese Daten nur brauchbar und wertvoll, wenn sie alle in einem Verein gezüchteten Hunde einschließen.
Die Rasse „Hovawart“ ist zwar eigentlich schon sehr alt, dennoch zählt sie heute immer noch zu den wenigen Rassen, die mit einem vielfältigen Erscheinungsbild und sehr unterschiedlichen Wesenseigenschaften zu finden sind. In erster Linie ist hierfür die „Neukonstruktion“ nach dem letzten Weltkrieg verantwortlich. Da viele der bis dahin gewünschten, bzw. für seine Zucht infrage kommenden Zuchtreihen verloren gingen, musste diese nun mit zur Verfügung stehenden geeignet erscheinenden, meist großen Hofhunden, neu aufgebaut werden.
So ist nicht weiter verwunderlich, dass auch heute noch so mancher augenscheinliche Hovi sich eben nicht als solcher entpuppt, aber auch andererseits so mancher Hovi nicht dem Rassestandard entspricht. Vergleicht man nun seinen Rassestandard mit dem eines Schäferhund, Groß-Pudel, Rauhaar-Dackel oder Labrador; der Hovawart zeigt sich auch heute noch längst nicht so einheitlich wie diese, in Bezug auf Wesensmerkmalen oder Erscheinungsbild.
Um eine strenge Zuchtauswahl betreiben zu können bedient sich jeder verantwortungsbewusste Zuchtverein der Körung. Sie bietet die Möglichkeit, den Wert der zur Zucht eingesetzten Tiere, hinsichtlich Wesensanlagen und Erscheinungsbild, zu ermitteln. Sie ist entscheidend für den weiteren Einsatz der maßgeblichen Zuchttiere und stellt die Weichen für das weitere Zuchtgeschehen.
Eine Körung setzte sich zusammen aus:
1.) Der Beurteilung der Wesens- und Leistungsanlagen
Der Hovawart zählt zu den „Spätentwicklern“. Er lässt sich gerne viel Zeit bis zum Erwachsenwerden (vielleicht wird er auch nie wirklich erwachsen). Nichts desto trotz finden wir immer wieder „Vertreter“, die frühreif, bereits mit 2 Jahren, eine besondere Souveränität besitzen, vielleicht besonders gelassen an gestellte Aufgaben herangehen. Aber auch, wenn jedoch nur selten, Hunde die mit Aggressionsverhalten und/ oder niedriger Reizschwelle auffällig sind. Mitunter lassen einige Hovawart-Hunde selbst mit 3 oder 4 Jahren noch sehr an Selbstsicherheit vermissen.
Nun wachsen nicht alle Hunde unter gleichen Bedingungen auf, wie z.B. in einer geräuschstarken oder geräuscharmen, in einer reizstarken oder reizarmen Umgebung. Die unterschiedlichsten Lebensbedingungen prägen unsere Hunde! Die Entwicklung eines Hundes ist von vielen Faktoren abhängig:
• das Land- oder Stadtleben
• häufig wechselnde Aufenthaltsorte (Urlaub)
• der Ein- oder Mehrpersonenhaushalt
• die Haltung als Einzel- oder Zweithund
• die temperamentvollen oder eher sanften „leisen“ Familienmitglieder
• der Besuch einer Welpengruppe und/ oder auf einem Hundeplatz mit vielen Kontakten zu Artgenossen
• der Besuch in allen möglichen Einrichtungen (Gaststätten, Kaufhäusern, Tierparks, etc.)
• insbesondere die Hund-Mensch-Beziehung
• ebenso wie die Prägung in der Wurfkiste.
Die optimalen Voraussetzungen zur Bewertung eines Wurfes wären im Grunde erst gegeben, wenn für alle Hunde eines Wurfes eine rundum gleiche Haltung geboten würde. Da solche Bedingungen nur in Versuchsreihen, oder in zoologischen Gärten, möglich sein können, sind zur Beurteilung eines jeden Hundes o.g. Faktoren zu berücksichtigen. Je „reizärmer“ ein Hund heranwächst, desto länger benötigt er zum Erfassen und Verarbeiten einer fremden Situation, um sie akzeptieren zu können. Gleichfalls spielt aber auch immer das “unpassende” Verhalten („Nervosität“ oder Unsicherheit) eines Besitzers am Körtag, wie auch antiautoritäre oder durch Gewalt geprägte Erziehung, besonders während der Entwicklungsphase seines Hundes, eine äußerst wichtige Rolle.
Nun sollte man meinen, dass es auf Grund dieser unterschiedlichen Lebensbedingungen nicht möglich sein kann, den Charakter eines Hundes, insbesondere seine genetisch bedingten Verhaltensanlagen, tatsächlich zu erkennen. Ja wäre da nicht noch ein weiterer wichtiger „Baustein“, nämlich die Wurfkontrolle. Diese erfolgt in den ersten 3 Lebenstagen, sowie in der 4. und 8. Lebenswoche und ist für eine verantwortungsvolle Zucht unerlässlich. Schon in den ersten Lebensstunden können sich besonders „eigenwillige Vertreter“ zu erkennen geben. Manche Wesensmerkmale zeigen sich gelegentlich schon bei einem neugeborenen Welpen überraschend deutlich. Aus diesem Grund sind diese 3 Wurfkontrollen nicht nur dem Bereich Züchterbetreuung und Welpenvermittlung zuzuordnen, sondern sie sind mit ein wichtiger Bestandteil der kontrollierten Zucht, da sich die hier gesammelten Daten mit denen anschließender Aktionen (Körung, Ausstellung, Erziehungseinheiten, etc.) ergänzen.
Das „Wesen“ eines Hundes lässt sich also anhand von 3 Wurfkontrollen bereits grob, gelegentlich sehr genau, einstufen. Die weitere Entwicklung im 1. Lebensjahr, ebenso die bis zum vollendeten 2. Lebensjahr (oder später) lässt, unter Kenntnis seiner Lebensbedingungen, sehr genau seine „Persönlichkeit“, seine Wesensanlagen bestimmen.
Der Begriff „Leistungsanlagen“ wird zwar schon immer in der Hovawart-Zucht angewandt, jedoch ist er für unserer Haus- und Familienhundezucht nicht unbedingt passend. Wenn von der Leistung eines Hundes gesprochen wird, liegt die Betonung auf „Leistung“ und wird heute verbunden mit Hundesport, Schutzdienst, etc.. Jedoch muss nicht auch unser Hovawart „Leistung“ im Sinne unserer Vorstellungen erbringen?
2.) Der Beurteilung des Erscheinungsbild
Die Anforderungen des VHH e.V. unterscheiden sich nicht, oder nur geringfügig, von denen des FCI-Standard. Geringfügig, weil wir nach wie vor den größten Wert auf den Erhalt von derben, robusten und großen Hovawart-Hunden legen, sowie auf Erhaltung einer Vielfalt hinsichtlich des Haarkleides und seiner Farbvarianten, wie wir sie noch aus den 90er Jahren kennen.
Besondere Vorzüge werden ebenso erfasst, wie evtl. Mängel (Gangwerk, Fell, Gebiss, Knochenbau, etc.) oder vom Standard abweichende Merkmale. Anzumerken ist, dass vorzügliche Wesensanlagen, bei evtl. auftretenden geringen Standardfehlern, immer für eine Zucht wertvoller sind, als ein vorzügliches Erscheinungsbild.
Schönheit ist in unserer Hovawart-Zucht erwünscht! Gesundheit und ein gutes Wesen sind Voraussetzungen!
Was wird von unseren Hunden während einer Körung verlangt?
Nichts, aber auch gar nichts, was sie erlernen müssen oder sollen! Wie bereits erwähnt, lässt nur das „natürliche“ Verhalten eines jeden Hundes Rückschlüsse auf sein „tatsächliches Wesen“ zu. Jeder zu bewertende Hovawart muss nur das können, was von einem Familienmitglied, also einem Familienhund, erwartet wird. Dazu muss er nichts üben. Er hat es! Er bringt es aus der Wurfkiste mit!
Eine Körung soll nicht zeigen, ob und wie gut ein Hovawart erzogen ist, sondern was bringt er „aus seinem Nest“ (Wurfkiste/ Zwinger/ Verpaarung/ etc.) mit, welche Anlagen? Jeder Hund hat seinen eigenen Charakter, eigene Wesensmerkmale. Sein Charakter ist jedoch „manipulierbar“! Seine tatsächlichen Wesensanlagen nicht! Ein vorbildlich erzogener, hervorragend vorgestellter Hund zeigt kaum sichtbar seine Wesensschwächen und -stärken. Er funktioniert!
Jeder vorgeführte Hund soll und darf selbst entscheiden, ob er nun z.B. eine „Gasse“ durchläuft oder umgeht. Jeder Hovawart darf, nein soll, sich an einem solchen Körtag ganz so zeigen, wie er wirklich ist!
Die Wesensprüfung
setzte sich aus verschiedenen Übungen zusammen. Jeder Hund wird allmählich an jede Situation herangeführt, so dass selbst viele der Hunde mit wenig Umweltreizen und -kontakten keine Überreaktion zeigen werden. Sei denn, sie sind insgesamt nicht belastbar.
Nicht erst während der einzelnen „Durchgänge“, sondern bereits die ersten Minuten auf dem Gelände, insbesondere das freie Spiel mit Artgenossen während großzügiger Pausen, lassen wichtige Schlüsse auf bestimmte Verhaltensweisen in Folge zu. Die dabei von einem Körteam gemachten Beobachtungen fließen mit in die Gesamtbeurteilung eines jeden Hundes ein, jedoch niemals ohne Berücksichtigung der für den jeweiligen Hund „normalen“ Lebensbedingungen (s.o.). Ein reizarm herangewachsener Junghund darf für seine ersten Aufgaben mehr Zeit zur Bewältigung benötigen, als ein durch viele Kontakte geprägter Hund.
• Ein sensibler Hund benötigt eine besondere Ansprache, um dann doch vielleicht sogar „mit sichtlicher Begeisterung/Stolz“ irgendwann den „wunden“ Punkt überwunden zu haben.
• Ein Haudegen oder „Angeber“ lässt sich recht schnell ermitteln.
• Ebenso ein absolut souveräner und verträglicher Genosse.
Die Körung und der Züchter
Es ist selbstverständlich, weil unserer Zuchtordnung entsprechend, dass jeder unserer Hovawart-Hunde, vor einem Zuchteinsatz, erfolgreich an 2 Körungen teilgenommen haben muss. Für angehende Züchter und Deckrüdenbesitzer ist 1 Jugendkörung (Mindestalter 9 Monate) und 1 Hauptkörung (Mindestalter 20 Monate) Pflicht. Eine Zuchtzulassung ist u.a. von diesen beiden Ergebnissen abhängig. Wird die 1. Körung aus irgendeinem Grund nicht durchgeführt, ist sie durch eine 2. Hauptkörung zu ersetzen.
• Zeigt sich ein Wurf in allen Belangen durchschnittlich gut, steht einer weiteren Zuchtgenehmigung nichts im Wege.
• Zeigt sich ein Wurf sogar überdurchschnittlich positiv, ist eine Wiederholungsverpaarung nicht nur möglich, sondern wünschenswert.
• Zeigen sich in einem Wurf unzulässige Fehler/ Mängel, ist je nach genetischem „Hintergrund“, kein weiterer Zuchtantrag möglich und wenn erforderlich, beide oder nur ein Elternteil von der Zucht auszuschließen.
Ich selbst weiß, wie viel Engagement ein Züchter erbringen muss, um seine Welpenkäufer an eine Körung heranzuführen. Aber ist es nicht gerade dieses Engagement, dass einen verantwortungsvollen Züchter, seine Liebe zu diesen Hunden, tatsächlich beweist?
Die Körung und der Hovawart-Besitzer
Einige Besitzer haben keinerlei Interesse an einem Zuchteinsatz ihres Hundes und sehen sich somit vielleicht nicht in der Pflicht zu einer Teilnahme. An eine vertraglich festgehaltene Verpflichtung muss dann vielleicht erinnert werden?
Hat aber nicht jeder beim Kauf seines Welpen viele Fragen an den Züchter und/ oder Verein gestellt? Wünscht nicht jeder Hovawart-Käufer, dass sich sein Welpe zu einem kraftvollen, gesunden, wesensfesten und liebenswerten Kameraden entwickelt?
Ein Züchter (sowie ein Zucht-Verein) kann nur dann eine verantwortungsvolle Zucht betreiben und Zuchtfehler vermeiden oder erkennen, wenn alle seine Hovawart-Besitzer dabei helfen. Nur wenn wirklich alle Hunde aus einem Wurf vorgestellt (sowie auf HD untersucht) werden, ist es möglich, besonders hervorragende Linien oder schlimmstenfalls unerwünschte Merkmale herauszufinden und entsprechend, sofern erforderlich, die Zuchtrichtung zu ändern.
In den vergangenen Jahren ist das Verständnis vieler Besitzer, auf Grund des Engagement der entsprechenden Züchter, sehr gestiegen und es ist für viele inzwischen selbstverständlich ihren Hovawart vorzustellen.
Wie bereits geschildert, ist eine Körung nicht nur im Sinne einer „Prüfung“ zu sehen. Sie bietet auch, für den, der es so sehen mag, einen familiären Charakter insofern,
• dass vor und nach einer Körung, sowie in den Pausen, jeder verträgliche Hovawart mit seinen Geschwistern und weiteren Hovis herumtollen darf.
• dass auch den Besitzern viel Zeit bleibt sich mit den übrigen Teilnehmern auszutauschen.
• dass vielleicht nette Kontakte geknüpft werden können und ganz sicher auch festgestellt wird, es hat nicht nur der eigene Hovawart einen besonderen Dickschädel, der sich nicht so einfach zurechtrücken lässt.
• dass untereinander viele Ernährungs- und Erziehungstipps ausgetauscht werden, die so manchen Besitzer in seinem Denken bestätigen, oder aber auch zum Nachdenken anregen.
• dass schließlich sich jeder selbst von der „Qualität“ der Zucht überzeugen kann.
• dass während und besonders nach einer solchen Veranstaltung jedem Teilnehmer die Möglichkeit geboten wird, anstehende Fragen rund um seinen Hovawart zu erörtern und, soweit erforderlich, bereits vor Ort Problemlösungen angeboten oder aufgezeigt werden.
Die Körung und die Zuchtzukunft
Seit 1992 bedient sich der VHH e.V. eigenständig der Körung zwecks Zuchtkontrolle. Bereits seit 1988 helfen zusammengetragene, ausgearbeitete und ständig aktualisierte Daten bei der Auswahl der zur Zucht zur Verfügung stehenden Hovawart-Hunde.
Nun könnte der Gedanke aufkommen, dass in einem solch langen Zeitraum doch sicher alle und ausreichende Daten vorhanden sind, um von kontrollierter Zucht sprechen zu können. Davon kann keine Rede sein, solange immer wieder „fremde“ Linien unsere Zucht „kreuzen“ (müssen) und ergänzen. Also müsste man sich über viele Jahre einer konsequenten Inzucht bedienen, um irgendwann einmal ganz einheitliche Typ-Hunde in Wesen und Erscheinung präsentieren zu können. Über die Vor- und Nachteile einer intensiven Inzucht soll an dieser Stelle nicht nachgedacht werden, da sie in keiner Zucht dienen wird.
Eine verantwortungsbewusste Zucht ist nur dann möglich, wenn uns alle Daten der von uns zur Zucht eingesetzten Hovawart-Hunde und ihrer Nachkommen vorliegen. Und nur unter Zuhilfenahme von Körungen können wir von einer kontrollierten Zucht sprechen. Eine Voraussetzung, die nur gegeben ist, wenn das Engagement eines jeden Züchters und das ernsthafte Interesse eines jeden Besitzers der von uns gezüchteten Hunde besteht.
Nur wenn uns heute, wie in allen Jahren zuvor, gute wie unerwünschte Erscheinungs- und Wesensmerkmale bekannt sind und nur wenn wir auch in Zukunft über Gesundheit oder Erkrankungen, über Probleme und Entwicklungsstörungen jederzeit informiert sind, können wir auch in Zukunft von dem Hovawart schwärmen, wie wir ihn lieben!
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